Efrat Stempler ist Dozentin für Bewegung im Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste.
ICH DENKE, ich muss meine Unterrichtsmethoden völlig neu strukturieren. Gestern habe ich mit meinem Kollegen Patrick telefoniert. Er meinte, sie haben in der Leitung den Notplan für das Herbstsemester durchgedacht, damit können wir den Präsenzunterricht in vier Wochen ruhig und sicher starten.
Der Plan basiert auf dem, was ich Gated Communities nenne, das heißt; die Studierenden sind in kleine Gruppen aufgeteilt und werden sechs Wochen lang nur in dieser Gruppe studieren und sich in den Schulräumen immer nur in ihrer Gruppe aufhalten müssen. Nur im Bewegungs- und im Sprechunterricht kann (unter Bedingung der Einhaltung der Abstandsregeln) ohne Maske gearbeitet werden. Da dieser Unterricht immer in großen Räumen stattfindet, dürfen wir zwei Gruppen gleichzeitig unterrichten, allerdings dürfen keine Berührungen stattfinden und natürlich keine Einmischung. Also wäre die optimale Raumaufteilung, wenn eine Gruppe sich nach dem Betreten immer in einer Hälfte des Raums aufhält, während die andere Gruppe die andere Hälfte einnimmt. Am besten wäre es, wenn ich mich in der Mitte des Raumes platzieren würde, denken sie.
Bin ich die Abwehrwand? Soll ich die Bakterien und Viren meiner Studierenden abhalten und bekämpfen, damit die andere Gruppe nicht infiziert wird?
Ich habe einen Plan: der Tanzsaal ist von beiden Seiten betretbar. Also kommt die eine Gruppe auf der linken Seite in den Raum hinein, während die andere Gruppe von der rechten Seite kommt. In der Mitte gibt es dann einen Ort, der von den Studierenden nicht betreten wird. Diesen Ort nenne ich Nomansland, oder manchmal auch den Todesstreifen.
Vor dem Lockdown habe ich meinen Unterricht immer in einem Kreis begonnen. Der Kreis hat einen rituellen Effekt und erlaubt den Studierenden im Kollektiv zu arbeiten, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden und in konstantem Kontakt/Resonanz zu bleiben. Für Schauspiel stellt das eine essenzielle Basis für das Zusammenspiel dar.
Für einen Kreis mit jeweils 1.5 Meter Abstand ist kein Platz mehr.
Der zweite Teil des Unterrichts ist Bewegung im Raum und beinhaltet freie Improvisation. Auch davon (von diesem Prinzip) muss ich mich verabschieden. Während einer Bewegung im Raum, verbreiten sich die Aerosole überall. Normalerweise interagiere ich mit den einzelnen Studierenden während meines Unterrichts. Jetzt darf ich den Studierenden nicht mehr nah kommen.
Im Frühlingssemester steigen wir in ein Hybridsystem um. Manchmal digital und manchmal in ‚echt‘. Ich muss kreativ bleiben und meine Unterrichtsmethoden ständig/immer wieder neu überdenken.
ES 20. August 2020
Header by Andrew Martin