Wie verändert Corona die Choreographie des Alltags?
Coronabedingt hatten meine Kinder lange Homeschooling und haben damit nicht mittags in der Schule gegessen. Da wir sie nicht vollständig sich selbst überlassen wollten, mache ich nun Mittagspause zuhause so oft mir das möglich ist. In der Homeschooling-Zeit haben ganz oft die Kids gekocht und wenn ich nach Hause kam, haben wir zusammen gegessen. Und da komme ich eigentlich gleich zu 12. Denn das gemeinsame Essen ist definitiv positiv, natürlich haben wir auch vor Corona an bestimmten Tagen Mittag zusammen gemacht, aber im Homeschooling war es entspannter. Die kids hatten mehr Zeit, ich tw. auch, sie haben mehr erzählt, obwohl ja eigentlich weniger passiert ist. Wir haben über andere Sachen als Schule geredet, natürlich Corona, aber auch ganz andere Themen, die sonst im Alltag untergegangen sind. Oder auch weil sie Langeweile hatten und ein bisschen quatschen mit Mama doch Abwechslung ist.
Tatsächlich hat Corona unser Leben entschleunigt, zumindest das meiner Kinder und meins, vor allem im Lockdown und Homeschooling, aber auch jetzt noch, denn es finden einfach weniger Termine statt, hier in Niedersachsen sind gerade private Treffen immer eingeschränkt gewesen, jetzt sind wir Risikogebiet und alles geht von vorne los oder schlimmer…
Im Lockdown konnte ich kaum Sport treiben, Hallen geschlossen, kein Volleyball-Training, Fitnessstudios geschlossen. Da ich normalerweise mind. 3xwöchtlich Sport mache, hat das sehr gefehlt und die körperliche Fitness stark negativ beeinflusst, im Sommer kann man Fahrradfahren etc. aber wenn die Einschränkungen jetzt im Herbst und Winter wieder kommen, dann macht mir das große Sorge. Nicht nur wegen der körperlichen Fitness, die ich auch für meinen Job brauche, sondern es fehlt auch das Zusammensein mit den Sportkollegen…
Insgesamt macht mir Corona und vor allem die Folgen der Anordnungen Sorge. Das beeinflusst auf jeden Fall das körperliche Empfinden negativ, ich mache mir viele Gedanken, über die Kids, denen die Sozialkontakte auch fehlen, über mein Büro, die Auftragslage, ich bin viel angespannter als vor Corona. Und das, obwohl mein Mann Angestellter ist und einen sicheren Job hat von dem wir leben könnten, wie geht es dann anderen, in der die ganze Familie um die Existenz bangt?
Bewegungsveränderungen durch Corona gibt es bestimmt. Oftmals sind viele Leute unsicher, wie sie sich verhalten sollen, z.B., ob jetzt genug Abstand eingehalten wird, darf man jetzt nebeneinander bzw. aneinander vorbei den Gang entlang gehen, so was. Das finde ich bedenklich, es ist falsch Angst zu haben, dass man sich nicht richtig verhält. Es gibt ja auch wirklich Negativbeispiele, wo Leute sich wie Hilfssheriffs aufführen und andere anpampen, weil sie sich falsch verhalten haben. Und Denunziantentum war lange nicht so weit verbreitet wie jetzt. Da frage ich mich wirklich, was macht Corona mit uns? Bzw. was machen diese ganzen Einschränkungen/Vorschriften mit uns. Vieles ist tatsächlich nicht mit dem Gesetz vereinbar, wie das Beherbergungsverbot. Wurde in Niedersachsen aufgehoben. Und zurecht, denn was ist falsch daran, dass wir unserem Urlaub nicht in einem Ferienhaus alleine in der Natur verbringen? Warum nehmen wir es hin, dass unsere Grundrechte mit Füssen getreten werden? Das kann ich nicht verstehen und sehe oft die Notwendigkeit auch nicht.
Körperlich und auch zwischenmenschlich fehlen mir tatsächlich die Sozialkontakte und das Umarmen meiner Freunde. Das finde ich selbst sehr erstaunlich und hätte es nicht gedacht, denn eigentlich bin ich gar nicht so emotional, viele halten mich eher für kühl und manche für arrogant. Und dennoch nehme ich gute Freunde sehr gerne in den Arm, was jetzt nicht möglich ist. Denn auch wenn ich viele auferlegte, behördlich angeordnete Anweisungen nicht nachvollziehen kann, bin ich sicher kein Corona-Leugner und möchte niemanden anstecken. Ich wusste vor Corona nicht, dass mir Begrüßungen so wichtig sind. Aber ich finde es befremdlich, niemanden die Hand zu geben oder zu umarmen. Auch hier sind viele Leute unsicher, weil man nicht weiß, wie man sich so verhalten soll bzw. andere finden es genauso befremdlich, keine vernünftige Begrüßung stattfinden zu lassen. Natürlich gibt es Wichtigeres, aber es fehlt mir dennoch.
Die extreme Digitalisierung finde ich auch kritisch. Im Grunde ist es gut, wenn es weniger Kontakte gibt. Aber Webinare sind eben nicht gleichzusetzen mit Seminaren, in denen man sich auch zwischen den Vorträgen austauscht, wo Kontakte geknüpft werden. Homeoffice ist einsam, der Austausch mit Arbeitskollegen, Mitarbeiter, Kunden etc., auch mal ein persönliches Gespräch fehlt. Homeschooling ist schwierig, den kids fehlt der Tagesrhythmus, die Sozialkontakte, die Pausen zusammen mit den Mitschülern. Onlineshopping ist gut für Amazon und andere Ausbeuter, aber die Geschäfte vor Ort gehen kaputt. Digitalisierung ist wichtig, aber mir graut vor einer Zukunft, in der jeder in seinem eigenen Kämmerlein, an seinem eigenen PC sitzt, alles online bestellt wird und sich niemand mehr wirklich begegnet.
Zu 6 fällt mir nichts ein…
Obwohl, vielleicht ist es ok, dass ich meine Schwiegermutter nicht mit Küsschen begrüßen muss😉.
Und wie man aus den vorherigen Absätzen erkennen kann, fühle ich mich seit Corona anderen Menschen ferner. Ich treffe weniger Leute, versuche so wenig wie möglich zu treffen, privat nur einen bestimmten, unveränderten Kreis. Körperkontakt außerhalb der engen Familie fehlt und ist doch so wichtig. Meine Eltern nicht in den Arm zu nehmen, wenn wir uns sehen, finde ich sehr komisch.
Und das empfinde ich, obwohl ich eigentlich ein Einzelgänger bin und trotz Familie immer meine Auszeit von anderen brauche und alleine sein muss. Ich reiche mir selbst oft aus, aber eben nicht immer, irgendwie ist es manchmal trotz Familie ein bisschen einsam.
Körperliche Bedrohung sehe ich eigentlich nicht, weder von mir ausgehend, noch von anderen. Im Grund wollen wir uns (fast) alle schützen. Wenn ich in fremde Firmen, Haushalte etc. beruflich gehe, setze ich immer eine FFP3-Maske auf und Handdesinfektion ist sowie schon vor Corona obligatorisch. Da sehe ich keine Gefährdung. Wenn andere sich nicht schützen wollen, ihr Problem, ich kann es. Bei den Kids in der Schule war ich skeptisch, mit 30 Kindern in einem Raum ohne Maske. Aber die Hygienekonzepte greifen, trotz ein paar Coronafällen gab es keine Eskalation der Situation. Erstaunlicherweise haben sich keine weiteren Klassenkammeraden angesteckt, Kinder scheinen da tatsächlich immuner gegen Corona zu sein.
Ich glaube, jetzt habe ich alle Fragen beantwortet.
Insgesamt habe ich wirklich mehr Angst vor den Auswirkungen (gesellschaftlich und wirtschaftlich) als vor einer Ansteckung an Corona selbst und dass, obwohl ich Risikopatient bin. Ich denke, ich bin körperlich fit und kann mich und meine Familie schützen. Aber ich kann die Gesellschaft und die Wirtschaft nicht grundlegend beeinflussen. Ich sehe auch überhaupt nicht, dass Corona uns irgendwie näher zusammengebracht hat und die Leute hilfsbereiter sind. Wer vor Corona hilfsbereit war, ist es auch jetzt, sonst hat sich nix geändert.
Alleine dass Firmen wie VW und BMW Kurzarbeit anmelden, obwohl sie Millionengewinne gemacht haben, zeigt doch alles. Wo ist da die Solidarität?
Die Wirtschaft macht mir große Sorge, die Innenstädte gehen kaputt, die Restaurants und Hotels gehen pleite, hier trifft es vor allem die Kleinen. Bald gibt es nur noch Großkonzerne, die alles unter sich regeln.
Aber selbst Verdi streikt, in einer Zeit, wo allein in Niedersachsen tausende von Firmen in diesem Jahr Insolvenz angemeldet haben!? Das kann ich als Selbstständige nicht nachvollziehen.
Sorgen mache ich mir auch darüber, wie sich die Beschränkungen auf sozial schwache Familien in engen Räumlichkeiten, auf Frauen und Kinder auswirkt. Wir schützen alle vor Corona, aber wer schützt vor häuslicher Gewalt, wer sorgt für die Chancengleichheit? Was sind die Folgen für diese Frauen und Kinder. Kann man das gegeneinander abwägen? Wer gibt uns das Recht zu sagen, als erstes bekämpfen wir Corona (wenn das überhaupt geht) und dann kümmern wir uns um andere Probleme und Krankheiten. Warum wird z.B. ein Krebspatient nicht operiert, weil das Bett ggf. (und das ist ja nicht mal sicher) für einen Coronapatienten benötigt wird.
Natürlich müssen wir versuchen, uns gegen Corona zu schützen, aber ich finde, wir gehen zu weit. Die Wirtschaft und auch die Gesellschaft verändern sich meiner Meinung nach sehr negativ. Da kann das bisschen Entschleunigung auch nicht drüber hinweg täuschen.